Ohne Raumklimaprüfung sind Ergebnisse einer Raumluftkontrollmessung als nicht normgerecht abzulehnen

In Europa werden die akzeptablen Raumklimabedingungen in von Menschen genutzten Räumen vorrangig durch die DIN EN 13779 und die DIN EN 15251 geregelt. Die dort empfohlenen Maßnahmen und „Behaglichkeits- oder Durchschnittswerte“ sind schon bei der Planung zu berücksichtigen. Die Einhaltung der empfohlenen Raumklimawerte wie beispielsweise Temperatur, Luftfeuchte und Schadstoffe sind unter Nutzungsbedingungen einzuhalten.

Unter Berücksichtigung, dass nachhaltige und luftdicht gebaute Gebäude nur mit ausreichender Frischluftversorgung solche Raumklima-Qualitätsziele erreichen können, sollten Auftraggeber und Auftragnehmer exakte Werkvertragsziele festlegen. Kontrollmessungen zur Raumklimadokumentation und zur Raumluftmessung sind nach gemeinsam vereinbarten Vorgaben im Leistungsverzeichnis festzulegen. Es ist selbst für Laien verständlich, dass sich sowohl bei zu hohen wie auch bei zu niedrigen Temperaturen und Luftfeuchtewerten keine vergleichbaren und belastbaren Werte ermitteltn lassen. Die mittlerweile sehr strengen Richtwerte für die Raumluftgüte des Umweltbundesamtes UBA (AIR – Ausschuss für Innenraumluftqualität) sollen bei Kontrollmessungen unter durchschnittlichen Klimabedingungen ermittelt werden. Wurde bei extremen Klimabedingungen gemessen, schlägt das UBA weitere Kontrollmessungen unter Normalbedingungen vor. Zudem sind Klima- und Lüftungsplanungen zukünftig schon während der Baukosten- und Grundlagenermittlung noch stärker zu berücksichtigen, um gemeinsam festgelegte Qualitätsziele einzuhalten.

Juristisch besteht sonst die Gefahr, schon alleine wegen auffälliger Gerüche nach Bezug oder geringfügiger Richtwertverletzungen nach Baufertigstellung in einen Rechtsstreit zu geraten. Auf dem Spiel stehen dann Restzahlungseinbehalte, Mängelrügen, Nutzungsausfallkosten, Imageverluste für den Bauunternehmer und langjähriger Ärger für beide Parteien.

Geplant: Harmonisiertes System zur Messung und Bewertung von VOC-Emissionen aus Bauprodukten

Die VOC-Emissionen aus Holz, Kleber und Beschichtungen in den Innenraum und deren Bewertung werden derzeit in Europa neu geregelt. Die holzeigenen Emissionen wie beispielsweise VOC (Volatile Organic Compounds – leichtflüchtige organische Verbindungen), also Terpene, Aldehyde sowie Carbonsäuren, werden neu bewertet. Ebenso begrenzt man die VOC-Emissionen aus Holzbeschichtungen wie Acrylsäuren, Monomere, Lösungsmittel, Aldehyde, Konservierer, Weichmacher und andere organische Hilfsstoffe. Oberflächenbeschichtungen und Kleber können holzeigene VOC absperren oder fördern. Die Abgabe von VOC aus Holzprodukten in die Innenraumluft betrifft vorrangig großflächige Anwendungen und wurde in den europäischen Ländern bisher unterschiedlich begrenzt.

Die europäischen Normenausschüsse arbeiten daran, ein einheitliches Bewertungs- und Zulassungssystem für Bauprodukte einzuführen, das dann für alle EU-Mitgliedsländer einheitlich gilt.

Rechtliche Problemstellungen

Werkvertragspflichten

Der § 631 Abs. 1 BGB besagt, dass ein Werkvertrag zwischen dem Besteller und dem Unternehmer geschlossen ist, wenn der Unternehmer durch den Vertrag zur Herstellung des versprochenen Werkes und der Besteller zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet wird. Der Werkvertrag ist ein entgeltlicher, gegenseitiger Vertrag, durch den die Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs bei der Schlussabnahme – also auch im Falle einer gemeinsam akzeptierten und vertraglich verankerten Produkt- oder Raumluftqualität – vereinbart wird.

Welche Ansprüche der Bauherrschaft können im Werkvertrag zum Thema VOC und Baustoffemissionen verankert sein? Wie können die Anforderungen an Baustoffe und Bauteile aussehen und können sie im Werkvertrag übersehen werden? Welche unerwarteten Mängelanzeigen drohen dann? Wie sollte man schon vor der Vertragsunterzeichnung reagieren, um solche rechtlichen Folgen wegen Richtwertüberschreitungen in Wohngebäuden und Nichtwohngebäuden möglichst auszuschließen?

Die Raumluftqualität rückt immer weiter in das Interesse der Bauherren, so dass in vielen Werkverträgen für die Errichtung von Neubauten oder für Modernisierungen die Einhaltung von Raumluftrichtwerten (UBA Richtwerte für die Innenraumluft – www.umeltbundesamt.de ) verankert wird.

Hinzu kommt, dass die Energiesparverordnung Gebäudehüllen von hoher Luftdichtigkeit verlangt. Deshalb sind häufiger als bisher Auswirkungen auf die Luftqualität wegen hoher Schadstoff-Konzentrationen zu befürchten. In sehr dichten Gebäuden können Richtwertüberschreitungen selbst dann entstehen, wenn keine außergewöhnlich hohen Emissionsquellen vorhanden sind und obwohl die Baustoffe über ein Emissionsprüfzeugnis verfügen. Viele Geruchsmängel oder vermeintliche innenraum-assoziierte Symptome führen dann möglicherweise zu einer Reklamation. Die sachgerechte Konfliktberatung, Bestandsaufnahme und eine normengerechte Messung sind daher auf der Grundlage wichtiger Regelwerke sehr wichtig, um eine gütliche und außergerichtliche Einigung zu erzielen. Wir empfehlen den Bauunternehmen, zukünftig die Vor- oder Nebentexte von Leistungsverzeichnissen, aber auch den eigentlichen Bauvertrag, genauer durchzulesen. Kommen einem Unternehmer Zweifel, ob er die geforderten Werte oder Baustoffvorgaben einhalten kann, sollte er sich dringend bei den für ihn geeigneten Einrichtungen(z.B. INFORMATIONSDIENST HOLZ, GDF, GHAD) Rat holen.

VOC Richtwerte

Der Ausschuss für Innenraumrichtwerte (AIR) bewertet Verunreinigungen der Innenraumluft und setzt bundeseinheitliche Richtwerte fest. Zu diesem Zweck setzt der Ausschuss für Innenraumrichtwerte (AIR) bundeseinheitliche, gesundheitsbezogene Richtwerte für die Innenraumluft fest, die als Maßstab für die Bewertung der Innenraumluftqualität öffentlicher und privater Gebäude in Deutschland angewandt werden können. Der AIR besteht aus Fachleuten des Bundes und der Länder, die auf Mandat der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) benannt werden. Innenraumluft-Richtwerte für einzelne Stoffe erarbeitet die „Ad-hoc-Arbeitsgruppe“, die aus Mitgliedern der Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) beim Umweltbundesamt sowie der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) besteht. Grundlage ist ein 1996 im Bundesgesundheitsblatt veröffentlichtes „Basisschema“. Es gibt zwei Richtwert-Kategorien: Richtwert II (RW II) ist ein wirkungsbezogener Wert, der sich auf die gegenwärtigen toxikologischen und epidemiologischen Kenntnisse zur Wirkungsschwelle eines Stoffes unter Einführung von Unsicherheitsfaktoren stützt. Er stellt die Konzentration eines Stoffes dar, bei deren Erreichen beziehungsweise Überschreiten unverzüglich zu handeln ist. Diese höhere Konzentration kann, besonders für empfindliche Personen bei Daueraufenthalt in den Räumen, eine gesundheitliche Gefährdung sein. Je nach Wirkungsweise des Stoffes kann der Richtwert II als Kurzzeitwert (RW II K) oder Langzeitwert (RW II L) definiert sein. (Aus: https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/kommissionen-arbeitsgruppen/ausschuss-fuer-innenraumrichtwerte-vormals-ad-hoc#textpart-3)

Diese UBA- oder individuell vereinbarten Richwerte müssen eingehalten werden, wenn sie im Werkvertrag inkl. Leistungsverzeichnissen verankert sind. Was sollte man beachten und wie müssen Messräume vorbereitet werden, damit keine Messwertverfälschungen auftreten? Wie kommt es zu Messfehlern durch eine unzureichende Umsetzung von (Mess-) Normvorgaben? Wie können Reiniger, Kleber und Lacke oder Wetterextreme die Messergebnisse verfälschen und damit die Einhaltung von RW und die Bauabnahme gefährden?
Für solche Fragen und weitere Tipps stehen die Experten der Fachberatung Holzbau des INFORMATIONSDIENST HOLZ unter (030) 5770 1995 zur Verfügung.

Fehlgerüche in Innenräumen

Am 4. Juli 2012 wurde durch das Umweltbundesamt das aktualisierte AgBB-Schema veröffentlicht, eine Vorgabe für Prüfungen und gesundheitliche Bewertungen der Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen (VOC und SVOC) aus Bauprodukten. Geruchsmessungen gemäß ISO 16000-28 bzw. VDI 4302 mit Orientierungswerten nach 28 Tagen wurden eingeführt.

Die Richtlinie VDI 4302 der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN beschreibt die Durchführung von Geruchsprüfungen im Innenraum mit geschulten oder ungeschulten Prüfern. Blatt 1 der Richtlinie beschäftigt sich mit den Bewertungsmethoden sowie den Kriterien und Mindestanforderungen an die Geruchsprüfer, mit denen die Raumluft bezüglich der Akzeptanz, der Intensität und der Hedonik sensorisch beurteilt werden kann. Für eine hygienische Untersuchung der Innenraumluft wird eine Geruchsprüfung in vielen Fällen sowie bei Beanstandungen der Baustoffe, der Bauteile oder der Raumluftqualität notwendig sein. Insbesondere für die Bewertung der Zumutbarkeit eines Geruches verglichen mit Normalgerüchen stellt sie eine wichtige Teiluntersuchung dar.

Blatt 2 der Richtlinie VDI 4302 beschreibt die genaue Durchführung der Geruchsprüfung von Innenraumluft. Dabei gelten die Einstufungen der Geruchsintensität nach VDI 3882 Blatt 1 [17] in sieben Kategorien von „Kein Geruch“ bis „Extrem starker Geruch“. Gemäß den „Vorläufigen Geruchsleitwerten“ von der Ad-hoc-Arbeitsgruppe wurde eine Bewertungstabelle für Einzelstoffe wie a-pinen oder Hexanal (Gerüche aus Holz), im Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 1 • 2014 auf S. 151 publiziert. Die Geruchswahrnehmungsschwellen wurden in Geruchsleitwerte l und ll mit solchen Stoffkonzentrationen eingestuft, ab deren Überschreitung die Ad-hoc-Arbeitsgruppe davon ausgeht, dass sie in der Innenraumluft geruchlich auffällig oder stark wahrnehmbar sein kann und möglicherweise als belästigend empfunden wird.

Was sollten Holzbauunternehmen beachten, wenn ein Bauherr einen unbehaglichen Fehlgeruch feststellt, eine Gesundheitsgefahr vermutet und deshalb die Bauabnahme verweigert?
Es wird empfohlen, holzbauerfahrene Bausachverständige hinzuzuziehen, die als Geruchsprüfer ausgebildet sind und über eine lange Berufserfahrung verfügen. Um die Geruchsentstehung nachweisen zu können, werden notfalls zusätzlich Material-, Bauteil- und Raumluftanalysen durchgeführt, mit denen man die Geruchsentstehung und Austrittspfade nachweisen kann. Der INFORMATIONSDIENST HOLZ kann Unternehmen beraten, wenn es um Reklamationen wegen Gerüchen geht, und vermittelt regional tätige Sachverständige. Aktuell kommt es häufiger vor, dass selbst allgemein beliebte holzeigene Inhaltsstoffe wie Terpene, Aldehyde und Säuren beanstandet werden, die dann auch über Geruchsleitwerte durch unerfahrene Sachverständige erfasst werden und so zu Reklamationen führen. Um solche Rechtsstreitfälle zu vermeiden, wird dringend empfohlen, die Bauherren von Anfang an mit diesen holzbautypischen Gerüchen bekannt zu machen und sie neutral zu informieren.

Baufeuchte

Nach DIN 4108-3 werden klimabedingte Feuchteschutzmaßnahmen für den Hochbau definiert. Sind Bauteile wegen eines wetter- oder schadensbedingten Wassereintritts zu feucht, können sie in der Regel schadensfrei rücktrocknen. Nach WTA (Wissenschaftlich-Technische-Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege) Merkblatt 4-5-99/D 08/01 gibt es wie auch für Holz (z.B. Feuchtewerttabelle der Fa. Gann, Messgeräte) eine Tabelle für „Hygroskopische Ausgleichsfeuchten unterschiedlicher mineralischer Baustoffe“. Messmethoden sind CM-Verfahren (Calziumcarbid-Methode), Darr-Verfahren (gravimetrische Methode), Widerstands- (Ohm’scher Widerstand) und kapazitive Dielektrizitätsmessverfahren. Heutzutage wird auch das Mikrowellen- und Neutronenverfahren angewendet. Jedes Verfahren hat seine Vor- und Nachteile.

Baufeuchte fördert nicht nur die Gefahr von Schimmel- und Pilzwachstum, sondern erhöht nachweislich die VOC-Emissionswerte aus Baustoffen und Bauteilen. Wird erhöhte Baufeuchte erkannt, sollte vorsorglich die Oberflächen- und Materialfeuchte kontrolliert und dokumentiert werden. Zudem ist es sinnvoll, Temperatur- und Luftfeuchtewerte zu erfassen, falls nötig auch über mehrere Wochen. Feuchte- und Schimmelmessungen sind normgerecht und strategisch plausibel durchzuführen. Da die meisten Schimmelpilze überall anzutreffen sind, kommt einer Feuchtekontrolle mit fachgerechter Sanierung, Feinstaubreinigung und anschließender Kontrollmessung mit objektiver Bewertung eine wachsende Bedeutung zu. Die Bauherren sind in alle Schritte einzubeziehen.


Bildquellen: Titelbild von Oliver Iserloh; Innenraum mit Messgerät von Robert Simon; Feuchteschaden von Karl-Heinz Weinisch