Allen Lesern ein gutes und gesundes neues Jahr. Wir von der Redaktion bedanken uns für Ihr Interesse im Jahr 2019.
2020 werden wir wieder gemeinsam mit dem Informationsdienst Holz über Anforderungen an den baulichen Gesundheits- und Feuchteschutz berichten. Auf Grund der letztjährigen Erfahrungen zur Bautrocknung nach einem Feuchteschaden empfehlen wir, möglichst rechtzeitig mit den Trocknungs- und Pilzbekämpfungsmaßnahmen von Holzbauteilen und Dämmstoffen zu beginnen. Wir bitten daher um Beachtung der Merkblätter der Holzbauverbände.
Zudem möchten wir darauf hinweisen, dass sich baurechtliche Vorgaben für die Baustoffzulassung und für die Raumluftqualitätsprüfung geändert haben. In Werkverträgen werden vermehrt gesundheitsbezogene Baustoff- und Raumluftanforderungen bzw. VOC-Zielwerte festgeschrieben. Beim Bau von Kindergärten und Schulen fordern die ausschreibenden Behörden niedrige Schadstoffwerte nach der Fertigstellung, aber auch private Bauherren nehmen immer häufiger Zielwerte zum Gesundheitsschutz in Anspruch oder sie verbieten die Verwendung diverser Inhaltsstoffe.
Novellierung des Bauordnungsrechts bezogen auf Baustoffzulassungen ist verwirrend und unklar:
- Schon zum 1. Januar 2018 sind in Baden-Württemberg bislang gesundheitsbezogene und baurechtliche Verwaltungsvorschriften (MVV TB – AGB) in Kraft getreten. In der baden-württembergischen Verwaltungsvorschrift wurde zudem der Passus eingeführt, dass ab dem 1. Oktober 2019 zusätzliche Anforderungen bezüglich der VOC-Emissionen (Volatile Organic Compounds) aus OSB/Span-Werkstoffplatten gelten sollten.
- Mitte Juli 2019 setzte ein Urteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs allerdings diesen Passus vorläufig außer Vollzug, da ein wissenschaftlich begründeter Nachweis zur „Toxizität“ der VOC noch fehlt.
- Im Mai 2019 wurde gemäß dem Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) ein Entwurf zur Änderungsfassung für die Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) nach der Richtlinie 2015/1535 notifiziert (Notifizierungsnummer: 2019/0306/D). Danach sollte die MVV TB frühestens am 26.09.2019 von den Ländern umgesetzt werden.
- Am 15. August 2019 veröffentlichte das DIBt den „Stand der Umsetzung der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) in den Ländern“. Dort konnte man lesen, dass zwölf der 16 Bundesländer bis dahin diese Verwaltungsvorschriften und die technischen Baubestimmungen eingeführt haben und damit in die MVV TB der Landesbauordnungen überführt werden sollen. Es fehlten damals noch die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Schleswig-Holstein.
- Nordrhein-Westfalen setzte am 23. September 2019 die Anforderungen hinsichtlich von VOC-Emissionen für Holzwerkstoffe (OSB und Spanplatten) mit sofortiger Wirkung aus. (NRW-Erlass „Aussetzung Anforderungen hinsichtlich VOC-Emissionen aus Holzwerkstoffen wie OSB und Spanplatten“).
- Die Stillhaltefrist im Notifizierungsverfahren (2019/306/D) für die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen – Ausgabe 2019/1 (MVV TB 2019/1) wurde vom DIBt bis zum 27. Dezember 2019 verlängert. Die Länder konnten somit frühestens nach diesem Zeitpunkt mit der Umsetzung der neuen, technisch aktualisierten Regelungen in Landesrecht beginnen.
- Die aktualisierte Fassung der MVV TB soll voraussichtlich Anfang 2020 erscheinen.
Ausblick 2020: Was ändert sich für Holzindustrie, Holzhandel, Holzbauer, Planer, Trocken- und Ausbaugewerke?
- Diese unübersichtliche Situation macht es den Planern, Holzbauern, Herstellern und Inverkehrbringern nicht einfacher, die Rechtskonformität von ihren „emissionsgeprüften Bauprodukten“ anzugeben.
- Gemäß der Europäischen Bauproduktenverordnung (EU) Nr. 305/2011 und entsprechender Mandate für harmonisierte Normen zur CE-Kennzeichnung mangelt es weiter an anwendbaren, das heißt im Europäischen Amtsblatt veröffentlichten Produktnormen bzgl. den VOC – Deklarationen.
- Zur Sicherheit wird Herstellern aktuell empfohlen, die VOC Prüfungen für das jeweilige Produkt nach dem aktuell gültigen Verfahren (EN 16516) und auf freiwilliger Basis durchzuführen.
- Momentan existieren zwei Prüfnormen für die Formaldehydabgabe aus Holzwerkstoffen nebeneinander - seit Mitte der 90 Jahre verwendete EN 717-1, die sich nur auf Holzwerkstoffe bezieht, zum anderen die EN 16516, die als horizontale Norm für alle Bauprodukte erarbeitet wurde. Gemäß der Chemikalienverbotsverordnung (ChemVerbotsV) wird die EN 16516 in Deutschland ab dem 1. Januar 2020 ebenfalls zur Bestimmung der Formaldehydabgabe verwendet. Der Grenzwert von 0,1 ppm bleibt gleich, jedoch senkten die Verantwortlichen nach EN 717-1 die Luftwechselrate im Prüfraum und veränderten die relative Luftfeuchte, um die realen Gegebenheiten in heutigen Innenräumen realistischer abzubilden. Zudem wurde bei der EN 717-1 die Beladung der Prüfkammer für alle Holzwerkstoffe mit 1 m2 je m3 einheitlich festgelegt. Parallel wurde gemäß der EN 16516 nach ChemVerbotsV die Beladung auf 1,8 m2 je m3 festgelegt, damit die Anwender und Hersteller auf der sicheren Seite sind. Vorsicht: Im Unterschied zum Prüfraum der EN 16516 können in realen Räumen zusätzlich Möbel, Raumausstattung und Reiniger zur Formaldehydkonzentration beitragen!
- Unverständlich bleibt, warum unterschiedliche Prüfgutbeladungsparameter bzw. jeweils andere Anforderungen an den Anteil offener Karten in den Prüfkriterien der ChemVerbotsV, des DIBt im Fall von MVV TB-Gutachten oder beim Blauen Engel verlangt werden – eine Vereinheitlichung wäre hierbei sinnvoll.
- Irritierend ist zudem, dass nach der nationalen ChemVerbotsV die EN 717-1 weiterhin anwendbar ist, sofern die Ergebnisse mit dem Faktor 2,0 multipliziert werden. Auch für die europäische CE-Kennzeichnung der Formaldehydabgabe von Holzwerkstoffen bleibt somit vorerst der Test nach EN 717-1 gültig.
Als Konsequenz aus dieser Rechtsunsicherheit resultiert ein hoher Beratungsbedarf für alle am Bau Beteiligte. Ferner sind in einigen Bundesländern Normenkontrollverfahren anhängig, weil Regelungen der MVV TB (ABG = Anforderungen an bauliche Anlagen bezüglich des Gesundheitsschutzes) keinem höherrangigen (europäischen) Recht entgegenstehen dürfen.
Wir empfehlen den Herstellern wegen der unsicheren Lage, ihre Bauprodukte möglichst nach dem neuen Emissionsprüfverfahren EN 16516 untersuchen zu lassen. Prüfzeichen wie natureplus oder eco-Institut bieten eine zusätzliche Produktsicherheit gemäß den MVV TB/ABG, weil sie mittels einer inhaltsstofflichen Vorprüfung den Einsatz von gefährlichen Stoffen weitgehend ausschließen.
Autor: Karl-Heinz Weinisch
Bildquelle: Titelbild von Waldemar Bothe