Der Begriff „Qualität“ beschreibt ein Maß für die Übereinstimmung zwischen Vorhaben und Ausführung. Bewertet man die Qualität der Raumluft, so ist zuerst das Vorhaben bzw. die Sichtweise zu definieren um später die Qualität zu bewerten.

Aus Sicht des Menschen definiert sich die Qualität über die Hygiene (der Gesundheit dienlich). Vereinfacht formuliert bedeutet dies, dass eine hohe Raumluftqualität vorherrscht, wenn diese gut für die Gesundheit des Menschen ist. Aus der Sicht der Industrie und anderen juristischen Personen kann das Vorhaben sein, die Qualität der Innenraumluft so zu definieren, dass die eigenen Produkte tendenziell als „ hygienisch“ eingestuft werden, die Konkurrenzprodukte hingegen als „schlecht für die Raumluft“.
Die EN 13779 ist eine Norm zur mechanischen Lüftung und Klimatisierung von Nichtwohngebäuden, die für den Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Die Norm klassifiziert die Luftqualität der Raumluft, der Zuluft, der Fortluft und der Außenluft in Abhängigkeit von verschiedenen Kriterien in zwei bis fünf Klassen.

Eine weitere Möglichkeit der Einstufung in ein Qualitätsbewertungsschema ist das Richtwertverfahren und Leitwertverfahren des Umweltbundesamtes. Hier werden Raumluftkonzentrationen von Einzelstoffen und Stoffgruppen bewertet und Empfehlungen bei Überschreitungen bestimmter Werte vorgeschlagen. Dieses System ist sehr einfach verständlich und anwendbar. Leider wird in der Praxis oftmals die Überschreitung eines Richt- bzw. Leitwertes in einem Innenraum gleich gesetzt mit einer akuten gesundheitlichen Gefahr. Das Umweltbundesamt wie auch fachkundige Experten sprechen hierbei berechtigterweise nur von hygienischen Auffälligkeiten.

Weitere Schwierigkeiten bei der Bewertung von Innenraumluftqualitäten durch Richtwerte ergeben sich bei der Planung von Gebäuden mit vorgegebenen IAQ‘s (Indoor Air Qualities). Die Höhe der Immissionen in einem Raum ist abhängig von der Anzahl und Stärke der vorhandenen Emittenten (Baustoffe, Einrichtungsgegenstände usw.). Um die Immissionen einschätzen zu können, muss man brauchbare Daten über die Emissionen von den verwendeten Baumaterialien besitzen. Hierfür sollen Produktprüfungen und Labels sorgen. Leider ist dies in der Praxis aufgrund unterschiedlicher Prüfmethoden (Laborbedingungen mit statischem Klima für Baustoffe <=> Realraummessungen mit dynamischen Randbedingungen bei der Bauabnahme) nicht gegeben.

Rechtsstreitfälle wegen Wohngesundheit nehmen weiter zu

Der Begriff Wohngesundheit hat sich mittlerweile als ein erfolgreicher Marketingbegriff etabliert. Wohngesundheit ist eine neuzeitliche Wortschöpfung, die heute immer häufiger in den Medien, in Labelkriterien und in Werbeversprechen von Unternehmen auftaucht. Ist schon die Werbung mit „gesunden Lebensmitteln“ problematisch, trifft dies auch auf Gesundheitsversprechen in Verbindung mit Gebäuden, Räumen oder Baustoffen zu. Gesundheit ist ein schützenswerter Begriff und laut WHO „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens“.

Das Versprechen von Firmen, „wohngesund“ zu liefern und zu bauen, löst bei vielen Verbrauchern erst einmal ein sicheres Gefühl des Vertrauens und der Sorglosigkeit aus, kann aber im Streitfall ins Gegenteil umschlagen – und dem Bauunternehmen könnte eine Täuschungsabsicht in der Werbung unterstellt werden.

Aussagen zur Gesundheitsverträglichkeit bleiben eher den Behörden und der Wissenschaft vorbehalten.

Verweigert die Bauherrschaft wegen verdächtiger Gerüche die Bauabnahme und fordert eine Schadstoffuntersuchung, kommt es meist wegen nicht normgerechter Messvorbereitung zu Fehlinterpretationen der nicht ordnungsgemäß ermittelten Messergebnisse. Die Auftraggeber sehen darin ein Indiz für einen Raumlufthygienemangel, verursacht durch die Verwendung von vermutlich „gesundheitsbedrohlicher“ Baustoffe oder durch Verarbeitungsfehler. Zudem können bei der Abnahme werkvertraglich vereinbarte Zielwerte für leichtflüchtige organische Verbindungen (VOC’s) oder die Verwendung nicht zugelassener Bau- oder Inhaltsstoffe den Rechtsfrieden stören. Dies kann gemäß aktueller Erfahrungen zu langjährigen und kostspieligen rechtlichen Konsequenzen für den Bauunternehmer führen.

Produktprüfung im Labor

Eine Messstudie des IQUH-Instituts zeigte bei einem Vergleich von Produktprüfungen unter AGBB-Prüfbedingungen und unter Realraumbedingungen eine zum Teil 100-fache Erhöhung der gemessenen relevanten Einzelstoffwerte. Diese Vergleichsmessung spiegelte die Ergebnisse einer Vielzahl an Messungen in Realräumen wieder, in denen zwar geprüfte und zugelassene Produkte eingebaut wurden, sich jedoch hohe Richtwertüberschreitungen bei Raumluftmessungen nach Baufertigstellung ergaben.

Realraummessungen an aktuellen Objekten

Der Hauptgrund dieser stresserzeugenden Diskrepanzen ist das unterschiedliche Vorhaben der Qualitätsdefinition der Materialien auf der einen Seite und der Definition der Innenraumluftqualität auf der anderen Seite.

Autoren: Karl-Heinz Weinisch, Dipl.-Ing. Robert Simon


Bildquellen: Titelbild von Waldemar Bothe; Weitere Bilder: Robert Simon, Karl-Heinz Weinisch